Stand: 12.08.2024 10:43 Uhr
Im Malliehagental bei Uslar haben sich Hunderte Hippies und Alternative zum "Rainbow Gathering" versammelt. Weil sie keine Genehmigung für das Camp hatten, drohte die Stadt mit Räumung - nun wird abgebaut.
von Amelia Wischnewski
Das teilte eine Sprecherin am Freitagabend mit. Am Samstag will die Gruppe demnach abziehen, nur ein paar Menschen sollen zurückbleiben, um aufzuräumen.
Gitarre in der Hand und Feder im Haar
Am Donnerstag noch ein ganz anderes Bild: An einer Waldlichtung reiht sich ordentlich Zelt an Zelt, so weit das Auge reicht. Auf einer Wiese facht ein Mann seine Feuerstelle an, um darauf Zucchini zu braten und eine Kanne Tee zu kochen. Neben Aussteigern mit Gitarre und Federn im Haar sind auch Ärztinnen und Ärzte, Marketingexperten sowie Lehrerinnen und Lehrer angereist. Die Anhängerinnen und Anhänger der "Rainbow Family" kommen aus Belgien, Großbritannien, Israel und Finnland, singen im Sitzkreis und tauschen sich am Lagerfeuer aus.
50.000 Euro Strafe, wenn die Gruppe das Gelände nicht verlässt
Zwei Wochen zuvor hatten nur etwa 40 Naturliebhaber ihr Zelt in Dinkelhausen, nahe Uslar im Landkreis Northeim aufgeschlagen. Nun waren es schon rund 800. Der Besitzer der Wiese, Landwirt Alex Wahler, hatte damit eigenen Angaben zufolge kein Problem. Was er aber nicht wusste: Für die Wildcamper war das offenbar der Startschuss für ihr jährliches Zusammentreffen. Sie haben den Standort an Tausende andere verschickt und wollten rund einen Monat bleiben. Höhepunkt sollte ein Ritualfeuer in der Vollmondnacht am 19. August sein - mit bis zu 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der Landkreis Northeim hatte dem Betreiber der Wiese jedoch mit einer Strafe in Höhe von 50.000 Euro gedroht, sollte er die Gruppe nicht zum Verlassen des Geländes auffordern.
Landschaftsschutzgebiet: Ohne Antrag ist Campen nicht erlaubt
Denn die Wiese liegt im Landschaftsschutzgebiet Solling. Das Campen ist hier nur mit Genehmigung erlaubt. Einen Antrag aber hatte das "European Rainbow-Gathering" den Angaben zufolge nicht gestellt. Das erste Rainbow Gathering, also die Regenbogen-Versammlung, fand 1972 in Colorado, in den USA statt. Seither haben Treffen mit bis zu 40.000 Menschen an unterschiedlichen Standorten auf der ganzen Welt stattgefunden. Da die aus der Hippie-Zeit stammende Bewegung der "Rainbow Family" Hierarchien ablehnt, ist es für lokale Behörden häufig schwer, Ansprechpartner in der Gruppe zu finden.
"Welt kommt nach Dinkelhausen, aber Dinkelhausen ist nicht bereit"
Landwirt Alex Wahler hatte seine Erlaubnis für das Wildcamp auf seiner Wiese auf Druck der Behörden zurückgezogen. Er ist enttäuscht über das Vorgehen des Landkreises und würde die angedrohte Strafe sogar gern zahlen - wäre die nicht so hoch: "Die Welt kommt nach Dinkelhausen, aber Dinkelhausen und Uslar ist einfach nicht bereit dafür gewesen", sagte er dem NDR Niedersachsen. "Ich komme in der Welt sehr viel rum, ich war jeden Tag hier. Ich habe mit den Leuten gegessen, gesungen. Ich fühle mich mittlerweile als ein Teil dieser Familie." Wahler unterstützt das Rainbow Gathering zum Beispiel mit Trinkwasser.
Vegetarisch und im Einklang mit der Natur
Angereist war auch ein Lehrer aus Oldenburg mit seiner Familie. Er komme regelmäßig zu den Treffen, hier würden seine Kinder etwa lernen, wie man ein Lagerfeuer macht, sagte er. Witsel aus Belgien, seinen Nachnamen will er lieber nicht sagen, kam, weil er die Werte der Gruppe schätzt: "Jeder ist willkommen, ungeachtet seiner Religion oder Hautfarbe", sagte er. Alkohol und elektronische Geräte wie Handys oder Lautsprecherboxen sind unerwünscht. Das Essen soll regional und vegetarisch sein.
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AfD fordert Bußgelder, wegen zugeparkter Wege
Die Stimmung in der Gemeinde zu dem Hippie-Treffen war geteilt. Einige Bewohnerinnen und Bewohner äußerten sich gegenüber dem NDR erfreut, dass Menschen "endlich mal die Natur nutzen". Anders sieht es die örtliche AfD. Sie verlangte in einem offenen Brief an die Landrätin, der dem NDR Niedersachsen vorliegt, Bußgelder zu verhängen, weil "Pflanzen im Wald gepflückt" worden seien und "Autos Wege zugeparkt" hätten. Lily S. ist das inoffizielle Sprachrohr der Gruppe. Sie fühle sich als Mensch nicht gesehen und verstehe nicht, warum die AfD etwas gegen das Rainbow Gathering hat: "Wir pflegen die Natur, wir versprechen, dass wir die Natur besser zurückgeben, als wir sie vorgefunden haben", sagte sie. Sie wolle nun Ausschau halten nach alternativen Orten für das Treffen.
Stadt Uslar drohte mit Räumung
Der Bürgermeister der Stadt Uslar, Torsten Bauer (CDU), wollte nach eigenen Angaben eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort vermeiden. Am Freitag hatte die Stadt aber eine Allgemeinverfügung verhängt, in der die Wiesen in Malliehagental zwischen dem 14. und dem 20. August zur Sperrzone erklärt werden. Danach ist es "jeder Person verboten, die Sperrzone zu betreten, zu befahren, zu bereiten oder sich sonst innerhalb der Sperrzone aufzuhalten". Bauer: "Ich kann nicht einfach hier irgendwo hinkommen, mich hinsetzen und dann sagen, jetzt reden wir mal miteinander." Sollte die Gruppe nicht freiwillig gehen, "müssten wir, das ist für uns die Ultima Ratio, hier räumen lassen", sagte er dem NDR, bevor bekannt wurde, dass die Gruppe das Camp abbaut.
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